
Protest gegen Ungleichbehandlung bei persönlicher Assistenz geht weiter!
Der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. (BSK) macht ernst: Im Zuge seiner
bundesweiten 5.-Mai-Protestaktion hat der Verband bislang hunderte Unterschriften gegen die
Entscheidung der Berliner Sozialverwaltung gesammelt, den neuen Tarifvertrag für persönliche
Assistenz im Arbeitgeber*innen-Modell nicht zu übernehmen.
Der zwischen ver.di und dem Arbeitgeber*innenverband AAPA ausgehandelte Tarifvertrag sieht
unter anderem eine Höherstufung der Assistenzkräfte in die Entgeltgruppe 5 vor. „Die politische
Entscheidung aus Berlin bedeutet für viele Assistenzkräfte bis zu 340 Euro weniger im Monat –
obwohl sie exakt dieselbe Arbeit leisten“, erklärt Claus A. Mohr, stellvertretender
Bundesvorsitzender des BSK. „Das ist nicht nur ungerecht, sondern gefährlich – denn so
verliert der Beruf weiter an Attraktivität.“
Am Donnerstag, 10. Juli, haben Claus A. Mohr, sein Vorstandskollege Hartmut Schulze und
Jörg Bechtold, Referent für Barrierefreiheit beim BSK, die Unterschriften persönlich an
Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe und Finanzsenator Stefan Evers übergeben.
Protest vor dem Abgeordnetenhaus – laut, sichtbar, entschlossen
Zeitgleich formierte sich vor dem Berliner Abgeordnetenhaus eine lautstarke Protestaktion –
organisiert von Ivo Garbe (ver.di) und der AAPA. Zahlreiche Menschen mit Behinderungen,
Assistenznehmer*innen, persönliche Assistenzen sowie Politiker*innen der Opposition, darunter
Katina Schubert (DIE LINKE), Catrin Wahlen (Bündnis 90/Die Grünen) und die ehemalige
Sozialsenatorin Elke Breitenbach (DIE LINKE), unterstützten den Protest. Und die Aktion zeigte
Wirkung: Direkt vor Ort konnten wegweisende Gespräche mit politischen Verantwortlichen
geführt und der Protest sichtbar ins Parlament getragen werden.
Kernforderung: faire Assistenz ist kein Luxus, sondern ein Menschenrecht
„Diese Unterstützung war entscheidend dafür, dass unsere Forderungen in Berlin nicht überhört
wurden“, betont Claus A. Mohr. „Denn es geht um nichts weniger als das Recht auf
gleichberechtigte Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben – dafür braucht es faire
Bedingungen für persönliche Assistenz.“
Assistenz im Arbeitgeber*innen-Modell bedeutet: Menschen mit Behinderungen bestimmen
selbst über Auswahl, Einsatz und Arbeitszeiten ihrer Assistentinnen. Diese Autonomie ist ein
zentrales Element gleichberechtigter Teilhabe. Wird sie durch unfaire Bezahlung untergraben,
wird das Recht auf Selbstbestimmung faktisch ausgehöhlt. Alle Beteiligten sind sich einig: Das
Verhalten des Berliner Senats widerspricht dem Grundsatz der Gleichbehandlung (Artikel 3
GG), dem Recht auf freie Entfaltung und der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK).
Erste Bewegung in der Politik – aber keine Entwarnung
Im Anschluss an die Übergabe wurde bekannt, dass eine Arbeitsgruppe eingerichtet wurde, die
sich mit der Finanzierung der persönlichen Assistenz im Arbeitgeber*innen-Modell befassen
soll. Zudem kündigte Finanzsenator Evers ein juristisches Gutachten zur Bewertung des
Tarifvertrags an. Doch konkrete Entscheidungen stehen noch aus.
„Solche Arbeitsgruppen brauchen erfahrungsgemäß ihre Zeit – wir werden also weiter Druck
machen“, kündigt Claus A. Mohr an. „Unser Ziel bleibt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Die
Übernahme des Tarifvertrags – ohne Einschränkungen.“
Der BSK fordert:
- die vollständige Anerkennung des Tarifvertrags auch für Assistenzkräfte im Arbeitgeber*innen-Modell,
- die Höherstufung in die Entgeltgruppe 5,
- den Schutz bestehender Tarifverträge in der ambulanten Assistenz,
- und vor allem: das uneingeschränkte Recht auf selbstgewählte, fair bezahlte persönliche
„Wer Teilhabe will, muss Assistenz fair gestalten“, bringt es Claus A. Mohr abschließend auf den Punkt. „Das ist keine soziale Gnade – das ist ein Menschenrecht.“
Text: Jörg Bechtold, BSK-Referenten für Barrierefreiheit

